Kapitel 4: Zwischen New York und Sibirien

Kapitel 4: Zwischen New York und Sibirien

Welches Datum wäre wohl passender, um unser diesjähriges Februar-Special abzuschließen, als der gleichsam nur alle Jubeljahre vorbeischauende 29.2.? Gut, streng genommen ist inzwischen seit ein paar Minuten bereits März, aber wollen wir einmal nicht übergenau sein. Heute präsentieren wir euch eine kleine, aber feine Auswahl hübscher Winterlandschaften, durch welche sich Helden aus dem Hause Capcom, Konami und Co. kämpfen müssen.

Route 4: "Rockman on ice oder Ice Man on the rocks?" und andere existenzielle Fragen

Mega Man durfte sich in seiner langen Geschichte schon durch unzählige Eislevels kämpfen – sicherlich nicht der klassischte unter ihnen, aber einer der für mich bemerkenswertesten ist Stage 1 von Dr. Cossacks Festung aus Mega Man IV für NES: Vom mit massiven Schneewechten (welche gleich am Levelanfang einen wertvollen Energietank verbergen) bedeckten Erdboden über Befestigungsanlagen, welche von Hybriden aus Schlangen und diesen Spiral-Dingern, welche so lustig über Treppenstufen wabbeln, bewacht werden, bis zu den den gefrorenen und somit gefährlich rutschigen Außenwänden, -Dächern und -Türmen von des Doktors sibirischer Zitadelle, wo schließlich im Innenbereich ein gewaltiger Boss-Roboter wartet, der mittels integriertem Bohrer die Fußböden demoliert, kann der Abschnitt voll und ganz überzeugen und verknüpft das Flair eines klassischen Superschurken-Verstecks (wie schon oft zuvor bei Wily) mit einer frischen, gewissermaßen "exotischen" Kulisse: Als ich anno ´93 im Mega Man IV-Booklet die mir zuvor unbekannten Wörter "Zitadelle" und "Sibirien" las, wusste ich weder, was ersteres genau ist, noch, wo letzteres liegt – aber fand sie irgendwie ziemlich beeindruckend.

So und nicht anders muss eine sibirische Zitadelle aussehen! Samt rosa Haubitze, blauer Kanone und gewaltigem Zwiebelturm!

Absolut erwähnenswert auch das nur wenige Sekunden lange, zugehörige Welten-Intro, welches mit der Außenaufnahme des Bauwerks und dem ikonischen Jingle (siehe auch den Vorspann von OldMacMario´s Farm # 3) nur in einem kurzen Moment besagte Burg wunderbar charakterisiert. Ja, ich gebe es zu, irgendwie ein Fan von sibirischen Zitadellen zu sein – alle vier Stages dieser Welt sind einfach für sich einzigartig; auch die dritte, deren geniale Musik uns in OldMacMario´s Music Box # 1 mehr als nur eine kurze Erwähnung wert war (doch ist diese im vorliegenden Special weniger relevant, da es sich dort mehr um eine Wolken- als Winter-Welt handelt).

Eis oder nicht Eis, das ist hier die Frage! Auf alle Fälle herrschen in Flash Mans Stage erhöhte Rutschgefahr und Unmengen seltsamer "Crazy Cannon"-Viecher.

Von den wie erwähnt zahlreichen Schnee-Stages aus der Geschichte des "Blue Bomber" soll noch kurz die Flash Man-Stage aus dem Vor-Vorgänger Mega Man II herausgegriffen werden – einfach weil sie mir bis heute das Rätsel aufgibt, ob sie überhaupt eine solche ist! Dieser Abschnitt wurde nämlich aus zahlreichen bläulichen, Eisblock-artigen Klötzen konstruiert, deren Gestalt ebenso wie deren Rutschigkeit auf gefrorenes H2O hinweist – jene irritieren nur insofern, als dass besagte Blöcke ständig abwechselnd hochgradig unnatürlich weiß aufleuchten bzw. -blinken und Spieler wie kontrollierten Roboter gleichermaßen ratlos zurücklässt, wo man sich denn nun eigentlich befinden mag...als ich damals meinen Bruder fragte, was er meinte, warum dieses Eis denn so blinken würde, antwortete er schlicht und prägnant: "Naja – das ist halt Roboter-Eis!" – eigentlich eine einleuchtende Erklärung, oder?

Das Dorf der Verdammten?

Ähnlich lange wie Capcoms blauer Bomber sind bereits die Helden aus Konamis gleichermaßen langlebiger Castlevania-Serie unterwegs – allerdings generell eher selten durch eisige Gefilde; erst die jüngeren Episoden featuren "echte" Eiswelten wie "Das verlorene Dorf" aus der ersten DS-Folge Dawn of Sorrow, welches erstklassige, gruselige Winterstimmung verbreitet!

Lust auf einen kleinen Kampf gegen eine fliegende Blechbüchse auf einer verschneiten Hängebrücke? Was könnte es denn Schöneres geben?

Dafür sind in diesem Fall weniger die Fledermäuse, Werwölfe und fliegenden, lebendigen Ritterrüstungen oder andere Vertreter des üblichen Castlevania-Getiers verwantwortlich, welche in diesem Abschnitt auftreten, sondern insbesondere zwei andere Faktoren: Einerseits der optische Detailreichtum – das Spiel mag auf den ersten Blick stark dem GBA-Vorgänger ähneln, auf den zweiten bietet es aber zahlreiche Feinheiten, die besonders zur Lebendigkeit und Authenzität der Spielwelt beitragen; insbesondere als ich Held Soma Cruz auf das Dach eines eingeschneiten Autos (ja, hier handelt es sich um einen der wenigen neuzeitlichen Castlevania-Teile) springen ließ, woraufhin sehr glaubwürdig eine Ladung Schnee von demselben herunterrieselte, war ich geradezu beeindruckt. Und andererseits sorgt schon der Hammer-Soundtrack des "Lost Village" alleine für ein herrlich ungemütlich-frostiges Flair – wenn ihr ihn nicht kennt, sucht unbedingt einmal auf youtube danach!

Der Central Park bei Schnee

Und noch einmal Konami: Die vier guten alten Kampfschildkröten spielen in der heutigen Spielelandschaft ja leider bei weitem nicht mehr die große Rolle wie damals, aber ihre früheren Sidescroll-Prügler machen heute immer noch eine Menge Spaß – wie etwa die NES-Umsetzung Teenage Mutant Hero Turtles II: The Arcade Game, welche im Zuge der Konvertierung u.a. einen schicken Winter-Abschnitt spendiert bekam. Genauer gesagt handelt es sich hier um einen von dem hünenhaften Weltraum-Bär/-Hund/-Wolf/-Wasweißichwas Tora (sein Opossum-/Tiger-/Katzenkumpel Bibel hat es leider nicht ins fertige Spiel geschafft, höhö) künstlich herbeigeführten Kälteeinbruch – als das Quartett nach dem ersten Kampf gegen Baxter Stockman aus der New Yorker Kanalisation zurückkehrt, ist der berühmte Central Park plötzlich unter einer dicken Schneedecke begraben!

Ein schönes Bild aus dem winterlichen Getümmel: Lederjacken-Rowdy Tora steigt aus dem kultigen "Modul"-Bohrergefährt und scheut sich nicht davor, riesige Felsen auf den armen Donatello zu werfen. Man beachte die kugelige "Schlechtwettermaschine" im Hintergrund – nach dem Kampf läutet der Turtle gewaltsam den Frühling ein, indem er die Apparatur kurzerhand schrottet.

Und dieser Park hat so einiges zu bieten – nur scheinbar harmlose, Raketen feuernden Schneemänner mit Stahlskelett, rücksichtslose Schneepflüge, mit Schnee getarnte Fallgruben, Felsbrockenhagel und, natürlich, Unmengen an Fußsoldaten. Ganz zu schweigen von dem Felsen schleudernden Bossgegner, nach dessen KO der Frühling in die Stadt zurückkehrt: Herrlich, wenn der kontrollierte Grünling danach in einer 8-Bit-Filmsequenz durch den nun ergrünten Park watschelt und per Sprechblase"Spring is here!" ausruft!

Nicht-olympische Winterspiele

Wie schon Ice Climbers im vorherigen Kapitel sollen nun noch die einen oder anderen "Winterspiele" zu Wort kommen – also Titel, in denen nicht nur einzelne Welten, sondern die gesamte Levelpalette winterliches Flair und ebensolche Umgebungen aufweist. Ein Paradebeispiel hierfür wäre Sunsofts spielbarer SNES-Adventskalender Daze before Christmas: Hier ist Santa Claus höchstpersönlich spielbar und muss durch – erraten! – 24 Stages navigiert werden, im Zuge welchen er gegen böse Schneemänner und seltsame Wettergötter kämpft, Elfen und Rentiere befreit und in regelmäßigen Abständen in autoscrollenden Flugabschnitten in seinen schwebenden Schlitten steigt, um in verschiedenen Ländern Geschenkpakete in (hoffentlich in diesem Moment nicht beheizte) Kamine zu werfen (Verdammt, ich habe alleine mit diesem Satz mein 2012er-Kontingent an "in"s aufgebraucht...). Besonders hörenswert auch der unorthodoxe "Jingle Bells"-Remix, wenn Father Christmas sich nach einer Tasse Kaffee in den bösen "Anti-Weihnachtsmann" verwandelt...er ist nun mal Kakao gewohnt!

Hoch oben am stürmischen Winterhimmel tritt das personifzierte Weihnachtsfest gegen den skurrilen "Mr.Weather" an – quasi seinerzeit eine Personifikation des Winters selbst? Und ich dachte immer, Väterchen Frost würde die kalte Jahreszeit mögen, anstatt sie zu verdreschen...

In eine ähnliche Kerbe schlägt Super James Pond alias James Pond II: Robocod für die gleiche Plattform: Des Agentenfisches Feldzug gegen den bösen Dr. Maybe mag sich auf den ersten Blick nicht allzu weihnachtlich anhören – anders sieht die Sache aber aus, wenn man bedenkt, dass sich besagter Erzschurke die arktische Spielzeugfabrik von Besitzer S. Claus (im deutsche Booklet wesentlich absurder "N. Ikolaus") unter den Nagel gerissen hat und von dort aus mit Bomben präparierte Pinguinpuppen in alle Welt verschicken will (verdammt böse, eigentlich...)! Da passt es auch noch wunderbar, dass die Front der Werkstatt des Weihnachtsmanns, welche als Oberwelt bzw. Levelanwahl fungiert, eine mehr als nur entfernte Ähnlichkeit mit einem Adventskalender aufweist – und in einem späteren Abschnitt darf auch hier der obligatorische Jingle Bells-Remix nicht fehlen!

Eine schöne Fassade von der weihnachtlichen Werkstatt, nicht wahr? Fragt mich aber bitte nicht, warum unser Agentenfisch in diesem Spiel nach Lust und Laune mehrere Screens in die Höhe wachsen kann – ich habe keine Ahnung!

Einen Schritt zurück in der Konsolenhistorie: In Kickle Cubicle geht es weniger weihnachtlich als bei den zuvor genannten Titeln, aber mindestens ebenso eisig zu, denn nachdem ein zaubernder Schurke das Land der Fantasie kurzerhand eingefroren hat, muss besagte zur Eiswüste gewordene Landschaft durchquert werden, um dessen Schergen wie Clowns oder Piraten-Hühnchen eine Lektion zu erteilen und die Heimat des Titelhelden vom Eise zu befreien. Die rätsellastigen, bildschirgroßen Levels mögen ein wenig an HALs Lolo-Serie erinnern, aber schon alleine durch Setting und insbesondere Bossfights erhält der Irem-Titel genug Eigencharakter – nach wie vor ein hübscher Action-Puzzler für NES!

Und hier ist auch schon das Piraten-Hühnchen (könnte aber natürlich auch, frei nach Sponge Bob, nur "ein ganz normales Hühnchen mit einer Augenklappe" sein), inmitten hübschestem 8-Bit-Eis – als ich diesen Screenshot damals im NES-Spieleberater sah, war mir klar, dass ich dieses Spiel eines Tages haben musste!

Als letztes "Winterspiel" sei Capcoms herrliches Co-Op-Jump&Run Snow Brothers (NES) besprochen, welches in letzter Zeit oft für allzu happige Preise verkauft wird, aber sein Geld wert ist: Die Parallelen zu Bubble Bobble sind hier zwar unübersehbar – bildschirmgroße Levels, wobei man bei Wechseln von einem zum nächsten nach oben statt nach unten "fliegt" und wo Gegner anstatt in Blasen in Schnebällen eingeschlossen werden. Aber das Spiel ist wesentlich mehr als ein Klon – ähnlich wie sich Kickle Cubicle von Lolo abhebt sind es hier außer den bei näherem Hinsehen durchaus originellen Fähigkeiten der Helden (Gegner mittels Scheeball-Bewurf in riesige Schneekugeln zu verwandeln, um deren Kollegen unter denselben zu begraben, birgt durchaus eigene Finessen) besonders Setting (ein buntes, optisch abwechslungsreiches Eishaus, in welchem skurrile Gegner wie großnasige Trolle oder schneewerfende Sumos sowie Ohrwurm-Melodien lauern) und die fulminanten Fights gegen teils fast den halben Bildschirm ausfüllende Monstrositäten, welche Snow Brothers einzigartig und für mich nach wie vor zu einem der besten Co-Op-Klassiker machen!

Die beiden spielbaren Snowmen verschwinden hier fast hinter den eingefrorenen Schurken – gut zu sehen jedoch der bizarre Bossgegner und der Hintergrund, der mir (wie die Flash Man-Stage) bis heute Rätsel aufgibt: Ist etwa ein Zirkus in der Stadt? Und was zum Teufel hat es mit dem miesgelaunten Zwiebelturm auf sich...?

Soviel zu den reinen "Winterspielen" – als Abschluss dieses Kapitels (und damit auch des kompletten Specials) soll, wie schon in den bisherigen Artikeln der Serie, ein besonderes Highlight fungieren: Das verschneite Eklemata-Gebirgsmassiv aus Quintets absoluten SNES-Klassiker Terranigma!

Von Yetis und Ziegen

Die Reise des jungen Helden Ark zur Wiederbelebung nicht nur irgendeiner, sondern unserer Welt ist eine jener Geschichten, welche das Prädikat "episch" tatsächlich verdienen – auch seine Expedition in den Himalaya macht hier keine Ausnahme und kommt ebenso klassisch-abenteuerlich wie vielschichtig-dramatisch zugleich daher: Da gibt es Kristallmonster, behaarte Höhlengnome, Eiswölfe und amoklaufende Yetis, aber auch nette Ausgaben von Reinhold Messners Busenfreund – wer einem verletzten Fellknäuel ein Heilkraut bringt, gewinnt dessen Freundschaft und kann auf seine Hilfe zählen. Wie uns eine dort wachsende Blume erzählt: "Der Yeti ist ein freies Lebewesen. Er kann Freund oder Feind sein."...hm, ein ein wenig surrealer Abschluss eines Absatzes, führwahr...

Der angeblich so schreckliche Schneemensch hat seinen Schrecken verloren und leidet in der heißen Quelle, die ihm wesentlich weniger hilft als erhofft, still vor sich hin – wer den Ärmsten unterstützen will, sucht nach einer heilsamen Blume und bittet sie, eines ihrer Blätter für einen guten Zweck herzuschenken. Ja, wirklich.

Wesentlich tragischer verläuft jene Szene, in welcher Ark versehentlich eine Lawine auslöst, von selbiger begraben wird und später in einem Hohlraum unter der Schneedecke von einer Ziege gerettet wird – hier hat das Spiel einige seiner stärksten Momente: Wenn das freundliche Tier den Helden in der mehr als nur eisigen Nacht mit seinem Fell wärmt, ihn am nächsten Tag aber scheinbar kaltblütig dazu einlädt, seinen (ebenfalls ziegenhaften) Gefährten, der das Naturereignis nicht überlebt hat, als "Frühstück" zu verspeisen, dann sorgt dies für ein ganz eigenartiges Feeling. "So wird er immer bei mir sein", rechtfertigt sich die Ziege und irritiert Ark, der es nicht über sich bringen kann, es dem pelzigen Paarhufer gleichzutun. Aber wenn zwei lebende und ein totes Wesen in einer engen, feindlichen Umgebung gefangen sind, sollte es dann nicht angemessen sein, das eigene Überleben über die Totenruhe zu stellen? Oder sollte an einen solchen Kannibalismus eines verstorbenen Gefährten nicht nur ein Gedanke verschwendet werden, auch wenn dies den eigenen Tod fordert? Und sollte Ark, der letztendlich im Zuge eines Unfalls gegen die Felswand knallte und so die ganze Tragödie erst auslöste, sich für selbige verantwortlich fühlen? Diese eine, kurze Sequenz ist schon dadurch mehr als nur bemerkenswert, dass sie derartig tiefschürfende Fragen aufwirft – wenn der Held letztendlich entkommen kann und die tierische Bekanntschaft, welche weiterhin festsitzt, schweren Herzens einem unbekannten Schicksal überlassen muss, bleibt dies noch lange im Gedächtnis...auch während des wieder klassisch-abenteuerlichen Kampfes gegen den permanent gestaltwandelnden Morphdämon am stürmischen Berggipfel.

Und gemeinsam mit dem Februar geht nun auch unser Special zu Ende – wir hoffen, es hat euch ein wenig Spaß gemacht und würden uns wie immer sehr über Kommentare freuen! Bis zum nächsten Feature – man sieht sich!

verfasst von „Lukas“

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Letzte Aktualisierung: 07.03.2012, 21:01 Uhr