Kapitel 1: Eisiges Pilzkönigreich, schneereiches Subcon

Kapitel 1: Eisiges Pilzkönigreich, schneereiches Subcon

Wer "Nintendo und Eiswelten" sagt, muss auch "Mario und Zelda" sagen: Die beiden größten und langlebigsten Serien des Konzerns bieten Unmengen von Umgebungen unter dem Gefrierpunkt, weshalb ihnen die erste Hälfte des Specials gewidmet werden soll – und für unseren heutigen Streifzug heften wir uns an Marios Fersen!

Route 1: Auf den Spuren des pummeligen Polarforschers

Zugegeben, in den Anfangsjahren seiner Karriere hatte unser Lieblingsklempner noch nicht großartig mit dem kalten Element zu tun – er hetzte im dunkelsten Kapitel seiner Geschichte den armen Donkey Kong Jr. durch einen eisigen Einzelscreen und kam im Zuge von Kanalarbeiten in Mario Bros. ab und zu ins Schliddern und lief Gefahr, mit spitzen Eiszapfen oder grimmigen Eismonstern zusammenzustoßen, aber von einer Expedition in den Polarkreis konnte noch keine Rede sein.

Damals wie heute ein exzellentes Spiel - auch wenn der kurzzeitige Wintereinbruch ein wenig unspektakulär wirken mag: Super Mario Bros., das Jump&Run schlechthin!

Marios erste Etappe, welche mit viel Augenzudrücken als winterlicher Abschnitt bezeichnet werden konnte, war Super Mario Bros.´ Welt 6-3, damals von meinem Bruder liebevoll als "Mehlwelt" betitelt: Eben so sah sie aus – als wäre eine Standard-Stage mit einem riesigen Sack Mehl überschüttet und lediglich weiß eingefärbt worden, ohne für großartige atmosphärische oder gar spielerische Unterschiede zu sorgen. So musste noch das eine oder andere Jahr vergehen, bis Mario sich wirklich als Polarforscher versuchen durfte..

Subcons Südpol

Genauer gesagt schickten Nintendos Designer und Dragon Ball-Zeichner Akira Toriyama nicht nur den rotgewandeten Herren, sondern auch Bruder Luigi, Prinzessin Toadstool und Pilzkopf Toad in Super Mario Bros. 2: Mario Madness durch die eisige Welt 4, welche zu den gelungensten Abschnitten des Jump&Run-Klassikers zählt: Einerseits aufgrund der trotz der 8-Bit-Beschränkungen sehr liebevollen optischen und spielerischen Gestaltung samt hübschen wie rutschigen Eisblöcken, frostigen Inseln und schlittschuhlaufenden Schneemonstern, andererseits wegen einiger wirklich schöner und damals durchaus auch überraschender Ideen.

Eine eisige Sackgasse? Ach was - schauen wir doch mal, was hier für interessante Pflanzen wachsen...

So erinnere ich noch gut an das scheinbare abrupte Ende von Welt 4-1: Plötzlich versperrte eine massive Felswand den Weg und wer sich neugierigerweise frei fallen ließ, um ein schwer erreichbares Grasbüschel zu erreichen und daran zog, rupfte zur eigenen Überraschung eine komplette Rakete aus der hart gefrorenen Erde, welche die Spielfigur glatt zum nächsten Leveteil trug– hier traten erstmals die seltsamen, von Shy-Guys gesteuerten "Autobomb"-Panzer auf, welche den Weg zum doch noch eine ganz hübsche Distanz entfernten Ziel erschwerten...wo unverhoffterweise ausnahmsweise kein Miniboss wartete. Ja, es mag dämlich klingen, ist aber so – selbst die einmalige Abwesenheit des rosa Drachenviechs Birdo war damals richtig überraschend!

Saved by the whale

Und auch die anderen beiden Drittel besagter Eiswelt warteten mit außergewöhnlichen Ideen auf – in Stage 4-2 mussten Mario & Co. etwa über massive Meeressäuger bugsiert werden, ohne ins Eismeer zu fallen, während die wässrig ausatmenden Wale mit ihren Wassersäulen für zusätzliche temporäre Trittstufen sorgten.

So manchen biblischen Gestalten wird ja nachgesagt, dass sie sich in der Nähe von Walen nicht so wohl zu fühlen - Toad dagegen hat sichtlich Spaß daran, sich von den Meeressäugern in die Höhe schleudern zu lassen!

Und nicht zu vergessen der wirklich ungewöhnliche Twist, Birdo in Abschnitt 4-3 gleich zu Beginn auftreten zu lassen – aber wer ihn besiegte, verbaute sich selbst den Weg: Ein von dem Unhold gespucktes, fliegendes Ei fungierte nämlich als einzig mögliches Fortbewegungsmittel, um das eisige Schloss des Endgegners zu erreichen. Und es ist wohl müßig zu erwähnen, wobei es sich bei jenem Obermotz handelte, oder? Natürlich um ein fliegendes Feuerwesen mit einer Vorliebe für Sonnenbrillen – logisch, nicht?

Land der Berge, Land...im Eis?

Nach diesen ersten Ausflügen in kühle Gefilde wurde es in dem ewigen NES-Juwel Super Mario Bros. 3 kurz darauf richtig ernst: Das "Land im Eis" bot ebenso geringe Temperaturen wie hohen spielerischen Gehalt sowie auch riesigen Umfang – mit nicht weniger als 10 regulären Levels, drei Burgen und einem finalen Flugschiff war besagter sechster von acht Abschnitten die massivste Welt im ganzen Spiel. Apropos Burgen: Während im Vorgänger ein hochtemperiertes Biest in einer eisigen Festung lauerte, wird die hohe Kunst der originellen Physik logisch weitergeführt – was gibt es schon architektonisch Inspirierenderes als einen Spaziergang durch ein aus Eisblöcken gebautes Schloss, welches direkt über einer Lavagrube errichtet wurde...? Und dass in diesem bizarren Klima die Piranha-Pflanzen prächtig gedeihen und sogar anfangen, umherzulaufen und Morgensterne zu spucken, passt hier doch bestens ins Bild, nicht?

Dagobert Duck erzählte einst, am Klondike sei es so kalt gewesen, dass ihm der Atem im Mund gefror - na, da kann er von Glück sagen, dass er noch nie im "Land im Eis" war: Hier gefriert einem sogar das Geld in der Tasche!

Wer erinnert sich noch an jenen fiesen Level, in welchem der Ausgang unauffindbar schien? Natürlich mussten wir hier Mario zum Waschbären aufpowern, einen Koopa-Panzer schnappen, störende Blöcke aus der Umgebung atomisieren, um Anlauf nehmen zu können, die richtige Stelle finden, um hochzufliegen und dort mit dem Panzer den Weg versperrende Pflanzen aus selbigem zu räumen, bevor die Kröte wieder aus ihrem Schild kriecht – was sonst?! Oder an die grüne Stage, welcher das Kunststück gelang, innerhalb einer Eiswelt zu überraschen, indem sie völlig un-winterlich daherkam? Oder den ebenso wärmenden wie originellen Hammer-Anzug, welcher in Welt 6 erstmals sammelbar wurde und Mario zum feuerfesten Möchtegern-Hammerbruder machte? Ja – das "Land im Eis" hatte einiges zu bieten!

Wintersport in Winterwelten

Von nun an war es nun schon ziemlich selbstverständlich, in Mario-Episoden auf winterliche Welten zu stoßen; so geflasht wie in Mario 3 wurde der Spieler während der SNES-Ära diesbezüglich jedoch nicht mehr: Eislevels traten in Super Mario World nur sporadisch auf und das Sequel Yoshi´s Island bot zwar konstant großartiges Leveldesign, aber außer einem spaßigen Skisport-Intermezzo mit Baby-Mario und Yoshi wenige "echte" jahreszeitbedingte Besonderheiten.

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Und da heißt es immer, die Dinos seien wegen der Eiszeit ausgestorben - alles nur ein Klischee: In Wahrheit fühlen sich die sympathischen Reptilien selbst bei dichtem Schneefall auf Skiern richtig wohl

Selbiges machte auch eine Menge Spaß, aber auch dadurch, dass diesmal "nur" eine halbe Welt (welch eigenartige Phrase...) dem winterlichen Thema gewidmet war – Abschnitt 5 setzte sich aus Eis- und Himmels-Levels gleichermaßen zusammen – war die Wirkung nicht mehr so groß wie noch beim riesigen Frost-Königreich im dritten NES-Teil. So lag es an der Nachfolgekonsole, die Nintendo-Gemeinde wieder frostig zu flashen...

Bob und Frust

Eh klar, es geht um Super Mario 64 – sicherlich eines der einflussreichsten Videospiele überhaupt, welche zahlreiche spätere Titel prägte und archetypische Welten des noch jungen 3D-Zeitalters schuf: Die archetypische Wasserwelt, die archetypische Wüsten-Stage, das archetypische Geisterhaus – und, natürlich, den archetypischen Eislevel.

Kurs 4: Die Pinguin-Mutter sucht nach ihrem Jungen – seltsamerweise treiben sich aber gleich zwei von der Sorte in der Stage herum. "Was soll ich mit diesem Früchtchen? Das ist nicht mein Baby!", herrscht einen die Gute an, wenn man ihr das falsche Vögelchen vorbeibringt...zu wem dieses Findelkind wohl gehört? Vielleicht war es ja auf dem Weg in den Central Park Zoo, um sich dort einem gewissen Agentenquartett anzuschließen...?

Wobei hier gleich zwei der 15 Kurse massive Minusgrade aufwiesen und es sich schwer sagen lässt, welcher der beiden Abschnitte den größere Klassiker darstellt: "Bibberberg Bob" oder "Frostbeulen-Frust"...während letzterer Name gerade in der derzeitigen meteorologischen Situation gut nachvollziehbar ist, muss ich Claude Moyse bei Gelegenheit mal Fragen, was es mit ersterer, ungleich seltsamerer Wortkonstruktion auf sich hat...handelt es sich dabei etwa um den verschollenen Cousin von Sponge Bob...?

Sleepy Hollow 2: The Headless Snowman

Aber wie auch immer: Beide Welten boten eine Fülle an Ideen, Elementen und seltsamen Gestalten – wenn in ersterem gleich zum Start Santa-Style durch einen Kamin geklettert werden muss, um auf einer glitzernden Rutschbahn aus gefrorenem H2O gegen einen Riesenpinguin um die Wette zu schliddern, dann kann es kaum mehr Eiswelt-Feeling geben; auch das kleinere Äquivalent des massiven Vögelchens, welches gerettet und zur seiner Mutter gebracht werden musste oder das Wettrennen gegen einen Schneemannkörper zu dessen Kopf bleiben unvergessene Quests.

Kurs 10: Auf einer Eisfläche über ebensolchem Wasser tritt Mario gegen den fiesen Bad Bully an (Eine eventuelle Verwandtschaft mit Herrn Herbig ist bislang ungeklärt). Schön zu sehen: Die roten Münzen – wer jene unter dem Kampfplatz ergattern will, muss einen Koopa-Panzer als Surfbrett zweckentfremden.

Der spätere Abschnitt dagegen kam nicht als Berg, sondern riesige Eiswüste daher – inklusive gigantischem, begehbarem Schneemann samt Orkan-Atem im Zentrum und zwei damals optisch wirklich beeindruckenden Eis-Spiegelkabinetten. Gerade die spielerische Freiheit war in jenem Level ausgesprochen hoch – ein Aspekt, der in aktuelleren Mario-Titeln ja leider nicht mehr so groß geschrieben wird.

Der Rätselknacker? Nein...der Joker? Auch nicht...ach ja: Der Pinguin!

Solche Eis-Träume wie hier wurden in späteren Teilen der Serie leider nicht mehr ganz erreicht – sicherlich gab es, nach dem klimabedingten Aussetzen im tropisch gefärbten Super Mario Sunshine, immer wieder mal schöne Schneewelten, sei es in der New Super Mario Bros.- oder Galaxy-Serie oder aktuell in Super Mario 3D Land; diese erinnerten nur meist entweder an frühere Serienteile oder gaben sich linear und nicht ganz so originell – erwähnenswerter sind diesbezüglich eher die frostigen Extras wie Eis- oder Pinguin-Mario aus jenen Titeln.

Und noch mehr Pinguine, echte wie verkleidete: Der grimmige, sonnenbebrillte Frackträger scheint wenig erfreut darüber, dass Mario seinen Look kopiert, aber das stört den Klempner wenig. Kollege Toad hat zwischenzeitlich eine Eisblume gepflückt und wirft mit frostigem Anti-Feuer.

Ein eigenes Kapitel stellten wiederum die Rollenspiel-Spinoffs der Klempner-Saga dar – hier konnten die Möglichkeiten von Eiswelten wieder auf ganz eigene Art und Weise genutzt werden. Der wohl bemerkenswerteste Abschnitt aus den Mario-RPGs soll als Abschluss des heutigen Artikels fungieren: Kapitel 7 aus dem genialen Erstling der Paper Mario-Serie – "Kristalline Träume".

Ernest Herringway

Selbige unkonventionelle Rollenspiel-Saga ist ja bekannt dafür, immer wieder einmal mit ungewöhnlichen Szenarien und Sub-Plots zu überraschen, welche man von Mario nicht unbedingt erwarten würde – ein Paradebeispiel hierfür stellt besagter Eis-Abschnitt dar: Als unser Lieblingsklempner in einem beschaulichen Pinguin-Dorf ankommt, scheint noch alles in bester Ordnung zu sein – doch alles kommt anders, als er auf der Suche nach einem Passierschein das Büro des Bürgermeisters besucht und jener, so scheint es, leblos am Boden liegt! Dessen Frau bekommt – verständlicherweise – gleich einen Tobsuchtsanfall, als sie den Fremden im Zimmer ihres Gatten überrascht und weiß genau, was sie dem rasch herbeigerufenen Inspektor zu sagen hat: "Der Mann mit dem Schnauzbart ist der Mörder!"

Agatha Christie-Stimmung in Bibber-City: Die misstrauischen Einwohner kooperieren nicht, der örtliche Kommissar verdächtigt den Helden selbst und die Stimmung ist überhaupt frostig - keine leichte Aufgabe, den Fall zu lösen!

Und so kippt die Stimmung komplett ins Gegenteil – Mario bekommt zwar eine Chance, seinen Namen reinzuwaschen, darf das Dorf aber bis dahin nicht verlassen und die missmutige, tuschelnde Dorfgemeinschaft, welche davon überzeugt ist, es handle sich bei ihm um den Mörder ihres geschätzten Bürgermeisters, ist dabei auch keine große Hilfe. Aber der in die Detektivrolle gezwungene Klempner forscht weiter und stößt auf eine Spur: Hat der exzentrische Krimi-Autor Herringway vielleicht etwas mit der Sache zu tun...?

Eisiger Endspurt

Ganz abgesehen von diesem herrlich gelungenen Intermezzo (mit, keine Sorge, letztendlich harmloser Auflösung) wird Kapitel 7 ausgezeichnet weitergeführt und bringt ein Feeling mit sich, welches die bisher besprochenen Levels schon ganz alleine Genre-bedingt kaum aufkommen lassen können: Jenes des Zu-Ende-Gehens einer langen Reise, wie es besonders Rollenspiele bisweilen wunderbar vermitteln können – die verhältnismäßige Stille in dem verschneiten Tal, die spärlich-sphärischen Klänge, welche geradezu akustische Kälte vermitteln, die an Anspruch gewinnenden Gegner...all dies führt, so pathetisch dies klingen mag, in gewisser Weise zu einer wohligen Mischung aus besonderer Spannung und ein wenig wehmütiger Melancholie.

Der Kristallkönig erscheint und bittet zum Duell vor der geschmackvollen Kulisse des Nordlichts - ein würdiger Abschluss des Eis-Dungeons!

Das Dungeon jenes Kapitels – der "Kristall-Palast" – treibt diese fesselnde Atmosphäre schließlich auf die Spitze: Spiegelnde Eiswände, knackige Rätsel, tolle Musik und mit den seltsamen weißen (Polar-)Clubbas sowie dem Kristallkönig, gegen den der Showdown draußen im Schneesturm ausgetragen wird, die wohl schwierigste Passage in dem sonst ziemlich zahmen RPG – selbst wenn danach nicht noch das finale Kapitel samt Bowser und seinem abschließenden Riesen-Dungeon lauern würde, könnte man Paper Mario kaum einen Vorwurf machen, das Spiel habe keinen adäquaten Abschluss: Die "kristallinen Träume" werden ihrem Namen definitiv gerecht!

Soviel zu unserem kleinen Winterwelten-Streifzug an Marios Seite – nächste Woche begleiten wir Link durch seine frostigsten und faszinierendsten Abenteuer. Bis dann!

verfasst von „Lukas“

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Leser-Kommentare zur Nachricht "NFans-Februar-Feature: "Winter-Welten"-Special"

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Letzte Aktualisierung: 04.02.2012, 19:24 Uhr