Ghost of Yotei im Test (Playstation 5)
Ghost of Yotei – Zwischen Vergeltung, Heilung und der Seele Japans
300 Jahre nach den Ereignissen von Ghost of Tsushima schickt uns Sucker Punch erneut ins feudale Japan – doch dieses Mal nicht in die Heimat des Geistes von Tsushima, sondern in die raue, wunderschöne Wildnis des Nordens. Ghost of Yotei ist kein klassischer Nachfolger, sondern eine spirituelle Weiterführung. All das in einer Welt, die so lebendig, melancholisch und kraftvoll wirkt, dass man kaum die Augen von ihr lassen kann.
Wir haben uns tief in Atsus Reise gestürzt, haben mit ihr gekämpft, getrauert und gelernt, was es bedeutet, den eigenen Weg zwischen Schuld, Schmerz und Hoffnung zu finden. Und eines können wir schon vorwegnehmen: Dieses Spiel ist ein besonderes Erlebnis. Warum? Das lest ihr in diesem PS5-Feature-Test.
Die Last der Vergangenheit
Im Mittelpunkt steht Atsu, eine einsame Söldnerin, deren Leben vom Verlust ihrer brutal gemeuchelten Familie geprägt wurde. 16 Jahre nach dem grausamen Überfall, bei dem sie alles verlor, zieht sie durch das kalte, ungezähmte Ezo. Auf der Jagd nach sechs Gesetzlosen, den Yotei-6, die ihr Leid zu verantworten haben. Doch bald wird klar: Ihre Reise ist keine einfache Rachegeschichte. Vielmehr erzählt Ghost of Yotei von der Heilung einer gebrochenen Seele, von der Begegnung mit Weggefährten, die Atsus Schicksal unerwartet verändern. Wir lernen, dass Rache und Erlösung manchmal auf denselben Pfaden liegen, und dass auch im Blut die Möglichkeit zur Vergebung wohnt.
Die Dialoge sind einfühlsam geschrieben, oft leise, manchmal fast poetisch, dann kraftvoll und ungestüm – sie lassen euch in Atsus Innenwelt blicken und machen sie zu einer vielschichtigen Protagonistin der jüngeren Spielegeschichte.
Kampfkunst trifft Intuition
Das Kampfsystem von Ghost of Yotei ist eine Meisterleistung zwischen Anmut und Brutalität. Jeder Schlag, jede Bewegung hat Gewicht. Der DualSense-Controller lässt euch das Metall eurer Klinge vibrieren, wenn Funken sprühen und Blut auf den Boden tropft, was ihr im übrigen einstellen könnt. Die haptischen Rückmeldungen verleihen dem Schwertkampf eine physische Intensität, die wir so bislang selten erlebt haben. Doch vor allem das Stein-Schere-Papier-Prinzip sorgt dafür, dass sich jede Waffe in ein System einfügt und Abhängigkeiten in ihrem Effekt und ihrer Wirkung unterworfen ist.
Neben dem klassischen Katana stehen euch weitere Waffen zur Verfügung – etwa das Yari, ein Speer mit enormer Reichweite, das Odachi für kraftvolle Hiebe oder die flexible Kusarigama, deren Kette blitzschnell Gegner niederreißen kann. Auch Fernwaffen wie der Bogen oder Kunai-Wurfmesser sind mehr als nur Ergänzungen, sie sind essenzielle Bestandteile eures Kampfstils.
Trainieren könnt ihr eure Kampfkunst bei Meistern, darunter das Erlernen von Kampfhaltungen, sodass ihr euren ganz eigenen Stil entwickeln könnt. Das Spiel belohnt Geduld, Taktik und Präzision – wer unüberlegt in die Schlacht stürmt, wird schnell an seine Grenzen stoßen, sofern ihr nicht auf dem niedrigsten der fünf Schwierigkeitsgrade spielt.
Erkundung und Welt
Das Spiel entführt euch in den Norden Japans, wo der majestätische Berg Yotei über schneebedeckte Ebenen, üppige Wälder und wilde Küsten wacht. Wir haben Stunden damit verbracht, einfach durch die Landschaft zu reiten, den Wind in den Gräsern rauschen zu hören und den Wechsel von Licht, Schatten und Jahreszeit (Abhängig von Abschnitt und Quest) zu beobachten, während wir kleineren und größeren Aufgaben gefolgt sind, etwa dem Befreien von Wölfen oder Blicke in die Vergangenheit zu werfen. Auch Kampfduelle, die schön inszeniert werden, sind immer wieder an der Tagesordnung und belohnen euch mit tollen Ausrüstungssets.
Die PS5 bringt dabei diese Welt auf ein neues Niveau: Dynamische Wettereffekte, fotorealistische Texturen, starke Kontraste und cineastische Kameraperspektiven erzeugen Momente, in denen Spiel und Wirklichkeit miteinander verschmelzen. Durch die ultraschnelle SSD seid ihr in Sekundenbruchteilen wieder im Geschehen – kein Warten, kein Ladebildschirm, nur fließende Immersion. Auch wenn Ghost of Yotei etwas weniger zu rechnen hat, als es bei den Umwelteffekten von Assassins Creed Shadows der Fall ist, kommt ihr regelmäßig ins Staunen. Dies liegt auch daran, dass ihr euch zwischen drei Film-Modi entscheiden könnt, die sich auf euer visuelles Erlebnis auswirken. Wer also den japanischen Schwarz-Weiß-Stil mag, kann ihn hier einstellen und das Spiel auf ganz eigene Art genießen.
Atsus Pferd wird euch zu einem treuen Begleiter auf dieser Reise werden. Wenn ihr durch die Felder prescht und sich Blüten in der Luft verlieren, dann spürt ihr das Gefühl, das Ghost of Yotei erzeugen möchte und welche Leichtigkeit diese Momente auslösen, wenn ihr durch die bloße Natur streift, Vogelschwärmen zu einem Ziel folgt oder Rauchschwaden entdeckt, die euch verraten, dass es etwas besonderes zu entdecken geben könnte, statt einen schnöden Zielmarker auf der Karte zu verfolgen.
Visuelle Kunst und Atmosphäre
Optisch ist Ghost of Yotei ein Kunstwerk. Das Spiel greift die Ästhetik klassischer Samurai-Filme auf und übersetzt sie in moderne, atemberaubende Bilder. Jeder Sonnenaufgang über den Bergen, jeder Schattenwurf auf den Schneefeldern wirkt wie eine handgezeichnete Szene eines alten Meisters. Die Charaktermodelle sind gelungen und in Cutscenes sogar beeindruckend detailliert, ihre Gesichtsausdrücke subtil und glaubhaft. Besonders auf der PS5 Pro brilliert das Spiel mit stabilen 60 Bildern pro Sekunde und gestochen scharfer 4K-Auflösung. Wir konnten keinen einzigen nennenswerten Einbruch feststellen, denn die Technik arbeitet durchgängig butterweich.
Die Seele Japans im Ohr
Selten hat uns ein Soundtrack so sehr in seinen Bann gezogen. Die Kompositionen verweben traditionelle japanische Instrumente mit modernen Orchesterklängen, schaffen ein Klangbild, das mal majestätisch, mal herzzerreißend melancholisch oder einfach nur verwüstend zerstörerisch ist. Wenn ihr über brennende Schlachtfelder geht, die von Opfern gesäumt sind, dann spürt und seht ihr den Zorn Atsus in jedem Detail.
Die Umgebungsgeräusche sind ebenso beeindruckend: Raschelnde Gräser, knirschender Schnee, ferne Schreie von Krähen – all das wird durch die dreidimensionale Soundtechnik der PS5 zu einem räumlichen Erlebnis, das euch mitten ins Geschehen zieht. Auch die deutsche Synchronisation verdient Lob. Atsus Sprecherin verleiht der Figur Tiefe und Emotion, ohne in Pathos zu verfallen, wie wir es nicht selten in Spielen Erleben, die von menschlichen Bürden erzählen. Wer möchte, kann natürlich auch in der japanischen Originalfassung spielen – was dem Ganzen noch mehr Authentizität verleiht.
Nebenbeschäftigungen und Sammelbares
Wie schon in Ghost of Tsushima wimmelt es auch in Ghost of Yotei von optionalen Aktivitäten. Ihr entdeckt Schreine, die euch Zugriff auf eure Fähigkeitsbäume wie Attentate und Nahkampf gewähren, folgt Tierspuren, gestaltet Gemälde, nehmt Kopfgelder an oder sucht nach verborgenen heißen Quellen. Diese Nebenquests erzählen oft intime, kleine Geschichten, die das große Ganze bereichern. Die besonderen Nebengeschichten, die durchaus zu größeren Questreihen werden können, sind die 6 Mythen-Geschichten, die es zu entdecken gibt. Mehr verraten sei an dieser Stelle nicht, außer dass ihr sie unbedingt erleben solltet, denn es winken neben spannenden Nebengeschichten auch wertvolle Talismane und besondere Rüstungen, die eure Kampfstatistik enorm nach vorn bringen. Durch das Sammeln von Materialien bzw. Erledigen von Aufgaben könnt ihr zum Beispiel an neue Rüstungsfarben kommen oder eure Waffen durch Schmieden verbessern. Wer also offenen Auges durch Ezo zieht, wird neben dem Freischalten von Fähigkeiten auch durch die etlichen übrigen, vielschichtigen Aufgaben seine Motivation hochhalten können.
Barrierefreiheit und Bedienung
Sucker Punch hat sichtbar darauf geachtet, Ghost of Yotei für ein breites Publikum zugänglich zu machen. Von Texthervorhebungen über vereinfachte Eingaben bis hin zu visuellen Orientierungshilfen ist alles vorhanden. Ihr könnt sogar den Wind, der euch leitet, visuell verstärken lassen oder das HUD nach euren Bedürfnissen anpassen. Auch spielmechanisch zeigen sich clevere Ideen: Durch Drehen des Controllers lassen sich Materialien beim Schmieden wenden, und am Lagerfeuer dürft ihr durch Pusten ins Mikrofon des Controllers das Feuer entfachen – ein charmantes Detail, das uns nostalgisch an Astros Playroom erinnert hat. Es wird also für akustische, visuelle und gameplay-vereinfachende Barrierefreiheitsoptionen gesorgt.
Messerscharfe Technik
Technisch schöpft Ghost of Yotei das Potenzial der PS5 voll aus. Die Ladezeiten sind dank SSD praktisch nicht existent, die Steuerung reagiert verzögerungsfrei, und das Zusammenspiel aus adaptiven Triggern und haptischem Feedback macht vieles von eurer Bewegung spürbar.
Selbst in intensiven Gefechten mit mehreren Gegnern bleibt die Bildrate stabil. Die Beleuchtung, das Partikelsystem und die Physik sorgen für eine Atmosphäre, die so lebendig wirkt, dass wir uns immer wieder dabei ertappten, einfach nur den Wind durch die Bäume ziehen zu sehen. Sicherlich ist die Spielphysik im Bereich Stealth nicht ganz so ausgeprägt wie es bei Ubisofts Abenteuer der Fall ist und auch das Klettern ist deutlich behäbiger. Dafür dürft ihr querfeldein Reiten und habt weniger Hindernisse vor euch. Hier wird also in Sachen Realismus im Interesse der Spielenden sinnvoll zurückgeschraubt.
FAZIT:
Ein vielseitiges Erlebnis, das bleibt. Ghost of Yotei ist kein Spiel, das man einfach beendet und beiseitelegt. Dafür ist es spielerisch und visuell zu künstlerisch und vielseitig. Das Team von Sucker Punch beweist mit dem zweiten Besuch in Japan erneut, dass sie nicht nur Meister des Action-Genres sind, sondern eben auch Geschichtenerzähler mit Herz und einem großen Verständnis für Open-World-Inszenierung. Die Liebe zum Detail bekommt ihr nicht nur an allen Ecken und Enden durch verschiedene Haupt- und Nebenquests zu spüren, sondern vor allem in der durchweg perfekten Soundbegleitung und den etlichen Varianten an Nebenbeschäftigungen, die euch zu Schreinen, heißen Quellen und in die Lager von Kampfkunstmeistern führen werden. Das Schere-Stein-Papier-basierende Kampf- und Waffensystem ist schlüssig ausdifferenziert und die Kämpfe fühlen sich stimmig an.
Besonders die Cutscenes, Reitsequenzen und Panorama-Fahrten der Kamera sind so eindrucksvoll inszeniert, dass ihr stundenlang Spielfreude erfahren werdet, auch wenn die Quests durch längere Unterbrechungen sich schon einmal fragmentiert anfühlen können. Dennoch ist Ghost of Yotei im Wesentlichen genau das, was wir uns von einem PlayStation-Exklusivtitel wünschen: ein Erlebnis, das technisch sauber abliefert, euch packt, fordert und inspiriert. Wer das Japan des 17. Jahrhunderts nicht nur sehen, sondern fühlen will, kommt an diesem Kunststück nicht vorbei. Es ist eine Meditation über Schmerz, Schönheit und den Mut, weiterzugehen.
PRO:
Faszinierende, emotionale Geschichte
Überragendes Design und Atmosphäre
Vielseitiges, präzises Kampfsystem
Beeindruckende Nutzung der PS5-Features
Liebevolle Details und hohe Spielzeit
CONTRA:
Gelegentliche Wiederholungen bei Nebenaufgaben
Teils ruhiges Erzähltempo, nichts für Ungeduldige
WERTUNG
GRAFIK: 9
TECHNIK: 9
SOUND: 10
IMMERSION: 9
UMWELTDESIGN: 10
STEALTH: 8
KAMPFSYSTEM: 9
BARRIEREFREIHEIT: 9
SPIELSPASS: 9.5
STORY: 9
VIELSEITIGKEIT: 9.5
UMFANG: 9.5
GESAMT: 9.2/10
Danke an Playstation DE für die Bereitstellung des Testmusters.
verfasst von „ Maik“
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Letzte Aktualisierung: 11.10.2025, 13:45 Uhr