Interview mit Hatenas Michael Kikuchi

Interview mit Hatenas Michael Kikuchi

Wir präsentieren euch heute ein Interview mit Michael Kikuchi, der als freischaffender Übersetzer bei vielen größeren Videospielproduktionen tätig war. Aktuell arbeitet er bei Hatena Co. Ltd, die sich mit der innovativen Kurzfilm-Software "Flipnote Studio" einen Namen auf dem Nintendo DSi gemacht haben. Da die Firma wie Nintendo selbst in Kyoto ansässig ist, haben wir Michael neben Fragen zu vergangenen Projekten und seinem aktuellen Job auch ein wenig über seine neue Heimatstadt und Japan im Allgemeinen befragt. Wir freuen uns auf eure Kommentare und Anregungen!

NF: Hatena befindet sich ja in Kyoto. Auch NFans.de war schon vor Ort und hat sich die "kulturelle Hauptstadt" Japans genauer angeschaut. Was schätzt du an Kyoto? Gibt es einen Ort, den du besonders gerne besucht? Wie verbringst du deine Freizeit dort?

Michael: Kyoto ist eine wirklich schöne Stadt und es ist hier nicht so hektisch wie in der Hauptstadt Tokio. Ich habe lange Zeit im Herzen Tokios gewohnt und musste mich auch erstmal an das etwas ruhigere Leben gewöhnen. Genau gesagt wohne ich allerdings in Osaka, was aber auch nur eine kurze Zugfahrt entfernt ist. Kyoto hat sicherlich viele tolle Sehenswürdigkeiten, wobei mir persönlich der Kinkaku-ji und die weltbekannten Torii-Wege des Fushimi Inari-Taisha besonders gut gefallen.

NF: Im Süden Kyotos befindet sich auch Nintendos Firmensitz. Bist du schon einmal dort gewesen bzw. hattest du schon Kontakt mit Nintendo-Mitarbeitern? Wie ist dein Eindruck von dem Unternehmen?

Michael: Leider Nein. Ich fahre allerdings jeden Tag daran vorbei. Von außen macht es nicht so viel her. Im japanischen Fernsehen wird hin und wieder mal aus den Büros berichtet, wobei mich das auch nicht gerade vom Hocker haut. Im Gegensatz zum großen Konkurrenten in Tokio, wirkt das ganze eher bieder. Ich habe allerdings bei einigen anderen Videospielherstellern gearbeitet, darunter Capcom, Cavia, Camelot oder auch bei dem bereits geschlossenen Clover Studio. Allen gemein ist die lockere Arbeitsatmosphäre und das geordnete Chaos, das an den Arbeitsplätzen herrscht. Ich möchte noch anmerken, dass die Arbeit viel härter ist als man sich das als Außenstehender vorstellen mag. Gerade die Programmierer arbeiten fast 24/7.

NF: Zum Leben in Japan: Was schätzt du an Japan als Wohn- und Arbeitsort? Gibt es auch Aspekte der japanischen Gesellschaft, die dir nicht so gut gefallen?

Michael: Als Arbeitsort gefällt mir an Japan, dass man sich als Ausländer relativ einfach selbständig machen kann. In rund 4 Jahren hatte ich es auch nie schwer Arbeit zu finden. Ich bin mir natürlich bewusst, dass andere viel schlechtere Erfahrungen gemacht haben. Ich habe wohl einfach nur viel Glück gehabt. In Japan lebt es sich generell sehr gut. Als Expat oder Selbständiger hat man natürlich ein angenehmeres Leben als Student oder in einem weniger gut bezahlten Beruf. Generell sind die Wohnungen hier deutlich kleiner. Viele meiner Bekannten wohnen in 1-Zimmerwohnungen und die Wände sind in Japan auch sehr dünn, so dass die Geräuschbelästigung durch Nachbarn um einiges höher sein kann. Die Erdbebengefahr ist natürlich auch immer gegeben. Es gibt zu Japan sicherlich so viele unterschiedliche Ansichten, wie es hier Ausländer gibt. Aus persönlicher Sicht bin ich aber sehr froh Deutschland gen Japan verlassen zu haben.

NF: Du arbeitest bei Hatena, die sich mit Flipnote Studio für den Nintendo DSi einen Ruf gemacht haben. Was sind dort deine Aufgaben und wie sieht ein typischer Arbeitstag aus?

Michael: Die Firma Hatena gibt es bereits seit 2001. Die Atmosphäre vor Ort ist wirklich sensationell. Wie viele kreative Firmen, bietet auch Hatena ihren Mitarbeitern einen großen Freiraum. Es wird viel gelacht und es gibt regelmäßig Firmenfeiern. Essen, Getränke & Snacks gibt es reichhaltig und natürlich umsonst. Dafür wird aber auch viel gearbeitet. Gerade unsere Programmierer arbeiten häufig auch am Wochenende, um unsere Dienstleistungen stets verfügbar zu halten.. Ich kümmere mich hauptsächlich um den Marketingbereich, da wir aber nur einen weiteren englischsprachigen Mitarbeiter haben, helfe ich auch im Kundenservice aus und überprüfe regelmäßig Flipnotes und Kommentare die von unseren Usern zur Überprüfung gemeldet worden sind. Als Freelancer habe ich die Webseite und Software übersetzt und aktualisiere die Seite, News etc. regelmäßig. Im Prinzip bin ich das sogenannte „Mädchen für alles“!

Wer Interesse hat kann sich gerne mal unsere verschiedene Dienstleistungen hier angucken: http://www.hatena.com/ Leider sind die meisten Sachen aber nur für den japanischen Markt und nicht lokalisiert.

NF: Kannst du uns etwas zu neuen Projekten für die Nintendo Konsolen verraten?

Michael: Zurzeit ist Flipnote Studio unser einziges Projekt für Nintendo. Ob und welche Projekte in Zukunft anstehen, hängt vom Erfolg von Flipnote Studio ab. Generell ist Hatena aber kein Spielehersteller und ist auf den Bereich Bookmarking und Social Networking für PC, Handy und Android Phones spezialisiert.

NF: Du hast bei einigen sehr großen Produktionen wie beispielsweise "Street Fighter IV" und "Okami" mitgearbeitet. Unterscheidet sich die Herangehensweise deutlich von kleineren Spielen?

Michael: Eine genaue Erläuterung würde wohl diesen Rahmen sprengen, im Prinzip ist die Vorgehensweise aber ähnlich. Bei einem größeren Projekt sind deutlich mehr Leute beteiligt, wobei bei einem kleinen Wii-Ware-Titel eventuell nur ein kleines Team arbeitet. Als ehemaliger Projektmanager habe ich für ein größeres Projekt auch mal ein Dutzend Übersetzer und Korrekturleser angestellt und bei einem sehr kleinen Projekt habe ich eben alles alleine gemacht, weil es meist auch sehr schnell gehen muss.

NF: Natürlich darfst du nicht über einzelne Spiele sprechen. Was müssten aber die Hersteller generell beachten, um die Lokalisierungen zu verbessern? Wo liegen die typischen Probleme?

Michael: Ich kann nur für den japanischen Raum sprechen. Des häufigeren habe ich erlebt, dass Texte mit Hilfe eines Onlinetools (Babelfish lässt grüßen) übersetzt worden sind oder dass die japanischen Projektmanager oder Programmierer mal schnell selber etwas ausfüllen, indem sie im Wörterbuch oder einfach per Copy/Paste etwas austauschen, was sie im Japanischen auch geändert haben. Da die japanische Grammatik gänzlich anders ist als beispielsweise die deutsche Grammatik, geht das leider nicht so einfach. Leider wird das immer wieder gerne ignoriert. Warum das so ist, ist mir auch nach all den Jahren immer noch Schleierhaft.

Viele Projekte sind auch nur mäßig organisiert. In der Regel werden die zu lokalisierenden Texte in Excel-Dateien verschickt. Dabei können schon mal einige hundert Dateien zusammenkommen. Bei dem Versand von Developer ---> Projektmanager ---> Lokalisierungsfirma ---> Übersetzer ---> Lokalisierungsfirma ---> Editor und den ganzen Weg zurück, werden gerne mal Dateien vergessen oder nicht aktualisiert. Im Spiel tauchen dann auch mal ungeprüfte Texte vor oder der Text ist in Englisch oder einer anderen Sprache. Generell habe ich bemerkt, dass bei Firmen mit westlichen Projektmanagern so etwas deutlich weniger vorkommt. Entweder war das bisher nur Zufall oder es liegt an dem Verständnis für westliche Sprachen. Solange das Spiel aber selbst rockt, kneif ich als Zocker aber auch mal ein Auge zu wenn der Text nicht so doll ist.

NF: Vielen Dank für die Beantwortung unserer Fragen!

Michael: Vielen Dank für euer freundliches Interview und viele Grüße aus Japan!

verfasst von „Shiek & ManaDrache“

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Letzte Aktualisierung: 30.04.2010, 13:01 Uhr