[20.12.] Kurz-Kolumne: Was wäre, wenn...

[20.12.] Kurz-Kolumne: Was wäre, wenn...

Es gibt vermutlich doch einige Leute, die sich in einer rührseligen Laune selbst Grundsatzfragen der Marke „Was wäre, wenn ich anstatt Auftragskiller zu werden meine Ausbildung zum Kuchenbäcker beendet hätte?“ stellen. So weit will ich heute nicht gehen, mich aber zumindest mit weniger essenziellen, doch mehr zum Thema passenden Fragestellungen – betreffend meiner „Laufbahn“ als Videospieler - befassen.

So erinnere ich mich etwa gut daran, wie ich 1993 – ich war fünf und hatte gerade erst mit dem Spielen angefangen – unbedingt ein Super Mario-Stickeralbum haben wollte (das ich natürlich auch heute noch besitze – nur ein einziger verdammter Aufkleber fehlt, aaargh!) und überrascht war, dass nur eine Hälfte des Heftes dem Klempner gewidmet wurde: In Teil 2 ging es um die mir damals völlig unbekannte „Legende von Zelda“. Heute bin ich ein großer Freund der Reihe und freue mich riesig auf Skyward Sword – aber es war keine Liebe auf den ersten Blick: Die Zeichnungen im Album ließen Link wie einen schlacksigen, ständig grimassierenden Komiker wirken und dass nicht nur die Übersetzungen bisweilen schrecklich ausfielen – so wurde der Held in „Flink“ umgetauft und das Land Hyrule in „Moralien“ - sondern auch Reime der Marke „Der Junge heißt Flink und ist Gold wert. Er reist nach Moralien mit seinem Schwert.“ eingestreut wurden, setzte dem Ganzen die Krone auf.

Damals bestand dieses Stickeralbum für mich also quasi aus einer „coolen“ und einer „blöden“ Hälfte – glücklicherweise spielte ich bald darauf erstmals Zelda 2 und war sofort absolut begeistert, das Original wurde auch bald nachgeholt und seitdem verpasste ich keinen einzigen Serienteil. Ich bin wirklich froh, dass ich diesen vorschnellen Halo-Effekt, welchen ich von dem Stickeralbum hatte, rasch für Null und Nichtig erklärt hatte. Ebenso interessant wie unmöglich zu beantworten drängt sich da eine Frage auf: Was, wenn ich mich nie näher mit der Zelda-Serie befasst hätte? Hätte ich dann womöglich erst durch das „beste Spiel aller Zeiten“ Ocarina of Time wirklich Interesse auf die Saga entwickelt, um allenfalls danach die großartigen 8- und 16Bit-Titel als Retrogames nachzuholen...?

Oder ein ganz anderes Beispiel: Anno 1994 wollte ich einmal unbedingt einen „Plapper-Ball“ - vielleicht wurde er auch „Blabber Ball“ ausgesprochen – haben: Schätze nicht, dass euch dieser Name etwas sagt; es handelte sich um Bälle mit freakigen Gesichtern, die drauflosplapperten, wenn man sie sich zuwarf. Jedenfalls kommt es mir vor als wäre es gestern gewesen, als ich erwartungsvoll ins nächste Spielzeuggeschäft ging und bei meiner Nachfrage gleich die harten Worte eines Mitarbeiters ertragen musste: „Der Plapper-Ball ist aus!“

Ihr könnt euch wohl vorstellen, wie enttäuscht ich Sechs- oder Siebenjähriger daraufhin war – betrübt begab ich mich in die Nintendo-Abteilung um nachzusehen, ob dieser Saftladen wenigstens irgendein schönes Spiel als Trost auf Lager hätte. Und da sah ich es: Kirby´s Adventure für NES. Ich kannte die rosa Knetkugel vorher so gut wie gar nicht – allenfalls flüchtig aus dem Super Game Boy-Spieleberater – aber mir gefiel das Cover, die Screens auf der Rückseite sahen toll aus und wenn ich schon kein niedliches analoges Spährenwesen mehr abbekam, wollte ich zumindest ein digitales haben...und seitdem zählen auch die Vertreter der Kirby-Serie zu meinen Lieblingsspielen. Was wohl gewesen wäre, wenn der Laden noch Plapper-Bälle lagernd gehabt hätte...?

Eine ganz ähnliche Geschichte erlebte ich, als ein paar Jahre später – dürfte schon ziemlich gegen Ende der SNES-Ära gewesen sein – im gleichen Laden einen Zelda 3-Spieleberater mitnehmen wollte und man mir (erraten!) mitteilte, dass der letzte Vertreter seiner Gattung kurz zuvor von einem dreisten Konsumenten geschnappt wurde...daraufhin fand ich anderswo ein Sonderangebot von Mega Man 1 für Game Boy, worin ich gleich mein Player´s Guide-Budget investierte. Ein tolles Spiel, doch der Berater war leider verloren...

Doch glücklicherweise erkannte ich wieder eine Weile später die Gültigkeit einer Weisheit: „Es gibt immer eine zweite Chance!“ Einmal hatte ich etwa die Möglichkeit, den Donkey Kong Country 2-Spieleberater zu kaufen, als das Spiel aktuell war – beim Durchblättern hatte ich jedoch, warum auch immer, den Eindruck, das Buch würde die letzten paar Welten gar nicht behandeln (was natürlich in keiner Weise der Wahrheit entsprach – aber ich habe trotzdem die komische Erinnerung, auf der letzten Seite nur Karten der Düster-Schlucht gefunden zu haben...) und investierte das Geld stattdessen in Lustige Taschenbücher...

Kurz darauf fing ich an, Spieleberater wirklich zu sammeln und ärgerte mich im Nachhinein immer mehr darüber, ihn damals nicht mitgenommen zu haben...bis er mir 1997 in einem Second Hand Shop wieder über den Weg lief. Nur: Im gleichen Laden fand sich auch der erste Super Nintendo-Berater und ich hatte nur Geld für einen der beiden – wieder blieb das DKC2-Buch liegen...und war beim nächsten Besuch im Geschäft freilich weg.

2003 aber konnte ich endlich bei einem privaten Verkauf zuschlagen und zumindest dieses Kapitel abhaken, bald darauf auch die Jagd nach dem Zelda 3-Berater beenden. Und von da an boten sich mir immer mehr Möglichkeiten, zuvor Verpasstes doch noch der Sammlung einzuverleiben: Das in einem heute längst eingegangenen Laden zu einem horrenden Preis angebotene Super Scope fand ich erst letztes Jahr für schlappe 30 Euro auf einer Retrobörse und das kompatible Spiel Yoshi´s Safari kurz darauf in einem Online-Shop (Allerdings nur lose und es ist schon eine dumme Sache, dass ich mir damals nicht die OVP-Version um gerade mal 300 Schilling gekauft habe, doch fehlte mir damals das essenzielle Zubehör).

Freilich existiert auch der Extremfall: Auf einer Urlaubsreise 2007 fand ich in einem recht hochpreisigen Laden endlich den Mystic Quest Legend-Spieleberater und wollte ihn gleich mitnehmen – bis ich den Preis erfuhr: 40 Euro. „Sorry, aber mehr als 20 Euro sind mir da echt zu viel!“, entgegnete ich und ließ es bleiben. Als ich am nächsten Tag jedoch wieder dort reinschaute – den Berater hatte ich längst abgeschrieben, ich war lediglich am Überlegen, noch ein Spiel mitzunehmen oder nicht – fragte mich der Verkäufer, ob ich ihn um 20 Euronen denn mitnehmen würde. Aber immer doch!

Absurd dagegen, dass erst kürzlich ein ach so professioneller ebay-Händler einen Game Boy Spieleberater 2 anbot, aber letztendlich Teil 1 verschickte und erst nach Rückfrage realisierte, dass er besagten Artikel schon längst verkauft hatte – Hammer, oder? Glücklicherweise fand ich nach langer Sucherei dann aber doch noch ein Angebot eines anderen Users und fiebere momentan dem Eintreffen jenes Buches, welches meine Sammlung der deutschsprachigen „Offiziellen Nintendo Spieleberater“ der Moyse-Ära komplettieren soll, entgegen...

Kurz und gut: Es macht niemals Sinn, über verschüttete Milch zu weinen; immer existiert eine zweite Chance. Sogar für den Plapper-Ball: Als ich ihn eines Tages, der nun auch schon einige Jahre zurückliegt, auf einem Flohmarkt fand, musste er alleine aus nostalgischen Gründen einfach mitgenommen werden – und „sitzt“ auch heute noch auf meinem Fensterbrett.

Soviel zur Kolumne – jetzt muss leider wirklich Schluss sein: Ich muss so einem komischen Auftragskiller, der aus unerfindlichen Gründen hinter mir her ist, weißmachen, dass er mit sofortiger Wirkung seinen ungebliebten Job aufgeben und sich nachträglich seinen Jugendtraum von der Kuchenbäcker-Karriere wahrmachen soll...
Euer OldMacMario.

verfasst von „OldMacMario“

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Letzte Aktualisierung: 19.12.2010, 23:08 Uhr