[2.12.] Ode an die Big Boxen, Strophe 1: Mystic Quest Legend

[2.12.] Ode an die Big Boxen, Strophe 1: Mystic Quest Legend

Manche Spiele signalisieren schon vor dem Einlegen in die Konsole, dass sie etwas Besonderes sind: Die goldenen Zelda-Cartridges der NES-Ära etwa, oder New Super Mario Bros. Wii, was im Regal mit leuchtendem Rot aus dem weißen Cover-Meer heraussticht. Und nicht zu vergessen: Jene privilegierten sieben SNES-Titel (im deutschsprachigen Raum), welche damals allesamt mit riesiger Pappverpackung und eigenem, jeweils ca. 70seitigem Spieleberater ausgeliefert wurden. Genau diese sieben „Big Box Games“ wollen wir uns an dieser Stelle in den kommenden Tagen und Wochen ansehen – bis Weihnachten schon vor der Tür steht. Singen wir nun alle gemeinsam die erste Strophe der „Ode an die Big Boxen“ - Mystic Quest Legend!

Erinnern wir uns an 1993: Rollenspiele in Europa ein Nischengenre zu nennen, wäre damals glatt untertrieben gewesen! Action-Adventures gab es mit Zelda und Konsorten zwar eine Menge, auch Mischformen mit RPG-Elementen wie Erfahrungspunkten und Level-Ups, doch jene Titel mit rundenbasiertem Kampfsystem konnte sich fast schon der fingerlose Bomberman an einer Hand abzählen. So kam Mystic Quest Legend zu der Ehre, es sich in der ersten Big Box häuslich einzurichten, um das in Japan damals wie heute immens populäre Rollenspiel-Genre auch den Europäern schmackhaft zu machen.

Der Titel ist allerdings erstmal reichlich irreführend - es handelt sich keineswegs um einen Nachfolger des großartigen Game Boy-Adventures Mystic Quest alias Final Fantasy Adventure aka Seiken Densetsu; viel treffender ist der japanische Titel „Final Fantasy USA“: Wir haben es mit einem rundenbasierten RPG zu tun – im Stile der Final Fantasy-Serie (welche außer ein paar Freaks damals ja kein Europäer kannte), doch wesentlich unkomplizierter, um westlichen Spielern den Einstieg zu erleichtern.


Sein Pferd geht schon in die Knie, der Teufelsreiter ist also bereits angeschlagen...nein, keine Sorge, hier fliegen keine Körperteile; sowohl Ross als auch Reiter waren bereits vor Kampfbeginn relativ kopflos.

Und ich muss sagen, dass dies bei mir großartig funktioniert hat: MQL war (abgesehen von Swords&Serpents, in das ich damals nicht so recht reingekommen bin) mein allererstes RPG, hat mich motiviert und ziemlich beeindruckt. Aber klar ist auch, dass gerade aufgrund des Einsteigercharakters des Titels einige Spielemente heute recht unspektakulär wirken: Die Story ist nicht viel mehr als „Der Dämonenkönig hat die fünf magischen und für den Weltfrieden absolut essenziellen Kristalle gestohlen, jag´ sie ihm wieder ab!“, es sind immer nur der Held und eine stets wechselnde Begleitperson, die auch automatisch agieren kann in der Party, die Monster bewegen sich in der Oberwelt überhaupt nicht und können problemlos umgangen werden (aber sehr löblich, dass jeder Gegner so zu sehen ist und auf Zufallsbegegnungen alle paar Schritte verzichtet wurde) und der Schwierigkeitsgrad ist nicht gerade hoch ausgefallen.

Doch jetzt kommt das berühmte „Aber“: Aber auf der anderen Seite ist die abenteuerliche Atmosphäre gelungen, wurden die Monster im Kampfmodus zwar regungslos, aber sehr nett designed (wurden sie angeschlagen, ändern sie auch ihr Äußeres auf amüsante Art und Weise), sind die Dungeons oft verwinkelter und (aufgrund der Sprungfähigkeit des Helden und auch in der Oberwelt einsetzbare Waffenfähigkeiten der Marke „Axt fällt Bäume und Bomben sprengen Wände“) interaktiver als in der Final Fantasy-Hauptserie, macht das Kampfsystem trotz der Einfachheit Spaß – und klingt der Sound absolut GROSSARTIG! Gerade die Boss-BGM ist wohl die Definition von „episch“!

Kurz: Mystic Quest Legend ist ganz sicher nicht das beste RPG am SNES (seit kurzem übrigens auch für Virtual Console erhältlich), aber ein nettes Sammlerstück, gewiss nicht ganz ohne Klassiker-Qualitäten. Nur: Allergisch gegen Claude Moyse-Übersetzungen dürft ihr nicht sein, sonst dreht es euch bei Meldungen wie „Phantom attackiert mit Monsterfurz“ oder dem „Volksmusik“-Angriff wohl den Magen um. Und während ich den Namen „Optik-Trick“ für ein Augenmonster fast schon genial finde, heißt das aus Final Fantasy bekannte Schildkrötenwesen Adaman-Taimai hier seltsamerweise „Käfer-Raucher“. Was aber wohl das Eigenartigste ist: Während die Stimmung des Spiels, die sicherlich auch schon im Original nicht die Traurigste war, dadurch ziemlich abgedreht wird, wurde der (an sich gelungene) Spieleberater in einer derart geschwollenen Sprache verfasst, dass dagegen selbst das Nibelungenlied wie leichte Kost wirkt...

verfasst von „OldMacMario“

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Letzte Aktualisierung: 05.12.2010, 21:56 Uhr